Menschenbild & Teilhabe

In jedem Menschen sehen wir eine eigenständige, in sich wertvolle Persönlichkeit. Wir respektieren die Verschiedenartigkeit und bieten unsere Hilfe und Unterstützung unabhängig von sozialer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Kultur an. Es ist uns wichtig, dass jeder so angenommen wird, wie er ist - in seiner ganz eigenen Art und Ausdrucksweise, selbst wenn sie uns manchmal zunächst unverständlich erscheint.

Jeder Mensch ist lern- und entwicklungsfähig. Er entwickelt sich in der aktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt, z.B. durch soziale Beziehungen, Kommunikation und sinnbezogene Aktivitäten. Dafür braucht er seine persönlichen Lebens-, Arbeits- und Rückzugsräume sowie verlässliche soziale und emotionale Beziehungen.

Jeder Mensch sollte sich selbstbestimmt entwickeln dürfen und nicht entwickelt werden. Selbstbestimmung bedeutet selbst auswählen und entscheiden zu können. Der Plan vom eigenen Leben darf nicht von außen, von Fachleuten vorgeschrieben werden. Eine freie Entfaltung und Entwicklung individueller Persönlichkeit kann z.B. gefährdet sein durch den immer neuen Anspruch pädagogischer Förderplanungen, noch besser werden zu müssen. Wir schaffen vielmehr geeignete Voraussetzungen, um eine selbstbestimmte Entwicklung und Selbstverwirklichung zu fördern. Wir geben Angebote und Orientierung, ohne Vorgabe gesellschaftlicher oder eigener Ideale, denn Selbstverwirklichung kann individuell ganz verschieden sein, z.B. auch der selbstbestimmte Wunsch nach mehr Privatsphäre und Unabhängigkeit, der Rückzug aus der Gemeinschaft, die Ablehnung von Angeboten oder der Freiraum für eigene Aktivitäten. Auf der Suche nach Selbstverwirklichung und mehr Eigenständigkeit möchten wir dazu beitragen, dass der Einzelne seine Potentiale erkennt und ausschöpft, Vertrauen in die eigene Person und das eigene Können aufbaut und selbst Werte, Ziele und Ansprüche entwickelt. Selbstbestimmung bedeutet aber auch Verantwortung zu übernehmen und Konsequenzen für das eigene Handeln zu tragen. Wir achten daher auf einen wertschätzenden Umgang miteinander, das Einhalten allgemein geltender gesellschaftlicher Normen und Regeln des Zusammenlebens sowie gesetzlich vorgegebener Grenzen.

Behinderung ist für uns kein Grund, unser Menschenbild in Frage zu stellen. Insbesondere Menschen mit geistiger Behinderung sind ihrer Umwelt intellektuell unterlegen, was zu ungleichgewichtigen Beziehungen führt. Ihnen wird Einsichtsfähigkeit in Gesamtzusammenhänge und damit die Wahl- und Entscheidungsfähigkeit häufig abgesprochen. Allzu schnell übernimmt man daher gern Verantwortung "zum Wohle des Betroffenen" und trifft Entscheidungen für ihn ohne zu bemerken, dass seine Bedürfnisse, Interessen und Wünsche gar nicht wirklich berücksichtigt werden. So können sich neben der Abhängigkeit von der Zustimmung der öffentlichen Leistungsträger ("Kostenübernahme") sehr schnell auch noch Abhängigkeiten von Versorgungspersonen und -institutionen ergeben.
Wir sind bereit, in unseren Einrichtungen "berufliche Entscheidungshoheit" abzugeben und Wege der Einbeziehung zu lernen, auch wenn sie zeitlich oder methodisch aufwendiger sind. Wir akzeptieren Entscheidungen des Einzelnen, die nicht in unserem Sinne ausfallen, aber die ihm eine Chance geben, Dinge selbst zu tun, eigene Lösungen zu finden und auch Fehler machen zu dürfen, um daraus zu lernen. Es ist eine immer wiederkehrende Herausforderung in unserer Arbeit hier einen Ausgleich zu finden zwischen Menschenrecht und Würde des Einzelnen sowie der fachlichen bzw. beruflichen Verantwortungsübernahme und Fürsorgepflicht.

In der heutigen Gesellschaft gibt es bereits viele Gesetze und Regelungen, welche die Rechte von Menschen mit Behinderungen stärken und ihre Lebensbedingungen normalisieren sollen. Menschen mit Behinderungen sollen auf der Basis ihres Wunsch- und Wahlrechtes und nach ihren Möglichkeiten ihr soziales Umfeld mitbestimmen, mitgestalten und erleben. Damit erfüllt sich ihr grundgesetzlicher und sozialrechtlicher Anspruch, gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein. Wir bieten ihnen die notwendige Unterstützung, Beratung, Begleitung und Assistenz an, die sie bei der Gestaltung und Bewältigung des eigenen Lebens, der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Eingliederung in die Gesellschaft benötigen. Ihr Grundrecht umfasst dabei die gleichberechtigte Teilhabe an allen Bereichen des täglichen Lebens. Dazu gehören insbesondere das Lernen, Kommunikation, Mobilität, die Selbstversorgung und das eigene häusliche Leben, die Arbeit, das wirtschaftliche Leben, der Aufbau und Erhalt sozialer Beziehungen sowie das gemeinschaftliche-, soziale und staatsbürgerliche Leben.

Wir achten darauf, dass all diese Rechtsgrundlagen im Alltag von Menschen mit Behinderungen spürbare Wirksamkeit entfalten und unterstützen sie insbesondere, wenn wir feststellen, dass sie als Anspruchsberechtigte im sozialen Hilfesystem kein Gesprächs- und Verhandlungspartner "auf Augenhöhe" sind. Gleichzeitig achten wir darauf, dass für die Menschen mit Behinderungen ein bedarfsgerechtes Angebot an Betreuung und Förderung zur Verfügung steht. Das Recht auf Normalität darf dabei nicht einhergehen mit dem Verlust an Wahlmöglichkeit. Sowohl ein selbstbestimmter Lebensweg in "nichtbehinderten" Lebenswelten als auch die Aufnahme oder der Verbleib in dem geschützten Rahmen von spezialisierten Einrichtungen müssen jedem Menschen mit Behinderungen offenstehen.